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Willkommen bei der Evangelischen Kirchengemeinde Drabenderhöhe.

Do, 28.Mär 2024, 19:00 Uhr bis 20:00 UhrGottesdienst
Gründonnerstag mit Abendmahl

Von Hilmar Kranenberg im Bereich Kirche.

Liebe Gemeinde,

ich möchte ihnen kurz zusammengefasst eine Liebesgeschichte erzählen.
Da war ein Paar, die waren sich anfänglich sehr sympathisch. Der Mann überschüttete seine Liebste mit Geschenken, er kümmerte sich um sie und versuchte, ihr das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Sie hingegen tat nichts dazu, sie lebte von dem, was er verdiente und besaß. Und nach einiger Zeit zeigte sie ihm die kalte Schulter – auch welchen Gründen auch immer. Schließlich resignierte er und wurde wütend. Er warf sie aus dem Haus und sie bekam keinen Cent mehr von ihm. Alle seine Geschenke holte er sich zurück und am Ende lebte sie bettelnd auf der Straße.

Eine tragische Geschichte, aber zum Glück ist es eine erfundene Geschichte. Eine ähnliche Geschichte erzählt der Prophet Jesaja, wo sie im 5. Kapitel aufgeschrieben ist. Dort ist es aber kein Liebespaar, sondern der Held dieser Erzählung hängt an seinem Weinberg.

„Ein Lied von meinem Freund will ich euch singen. Es ist das Lied von meinem Freund und seinem Weinberg: Mein Freund hatte einen Weinberg auf einem fruchtbaren Hügel. Er grub ihn um, entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit den besten Weinstöcken. Mittendrin baute er einen Wachturm. Auch eine Kelter zum Pressen der Trauben hob er aus. Dann wartete er auf eine gute Traubenernte, aber der Weinberg brachte nur schlechte Beeren hervor. Jetzt urteilt selbst, ihr Einwohner von Jerusalem und ihr Leute von Juda! Wer ist im Recht – ich oder mein Weinberg? Habe ich irgendetwas vergessen? Was hätte ich für meinen Weinberg noch tun sollen? Ich konnte doch erwarten, dass er gute Trauben trägt. Warum hat er nur schlechte Beeren hervorgebracht? Ich will euch sagen, was ich mit meinem Weinberg tun werde: Die Hecke um ihn herum werde ich entfernen und seine Schutzmauer niederreißen .Dann werden die Tiere ihn kahl fressen und zertrampeln. Ich werde ihn völlig verwildern lassen: Die Reben werden nicht mehr beschnitten und der Boden nicht mehr gehackt. Dornen und Disteln werden ihn überwuchern. Den Wolken werde ich verbieten, ihn mit Regen zu bewässern.“ (Jes 5, 1-6)

Im Prinzip geht es um das Gleiche, nämlich um eine enttäuschte Hoffnung oder eine enttäuschte Liebe. Nur können wir heutzutage vielleicht wenig damit anfangen, wenn jemand seine Hoffnung oder seine ganze Kraft in ein Stück Ackerland steckt. Der Weinbau ist ein nettes Hobby, vielleicht auch ein schöner Beruf, aber so sehr muss man sich doch nicht aufregen, wenn es nicht nach den eigenen Wünschen läuft. Da ist uns die enttäuschte Liebe doch näher.

Was aber soll das? Wie sie sich vermutlich schon denken, erzählt der Prophet Jesaja diese Geschichte als Gleichnis. Gleichnisse kennen wir von Jesus. Er erzählte auch immer wieder Geschichten mit Beispielen aus alltäglichen Situationen, um den Menschen so etwas von Gott zu erklären.

Was, so fragt Jesaja seine Zuhörer, soll man denn mit so einem Weinberg machen? Es liegt ja nicht an der Mühe des Winzers. Der hat das Land gut ausgewählt und vorbereitet. Er sorgt für guten Boden, er pflanzt beste Rebstöcke, er baut einen Wachturm und eine Kelter und wartet auf den Ertrag. Doch der Weinberg will nicht. Nicht wegen äußerer Umstände, sondern der verweigert sich der Frucht, warum auch immer. Ein störrischer Weinberg, wenn es so etwas gibt. Irgendwann wird der Winzer wütend: Wenn du nicht willst, dann will ich auch nicht! Und dann kümmert sich nicht mehr um seinen Weinberg. Die Tiere können ihn kahl fressen, die Dornen und Disteln sollen ihn zuwuchern, am Ende soll er doch vertrocknen. Der Winzer jedenfalls will mit diesem Weinberg, in den er so viel Liebe und Mühe gesteckt hat, nichts mehr zu tun haben. Wahrscheinlich haben die Zuhörer dem Propheten zugestimmt. So würden sie das auch machen. Warum noch mehr Mühe hineinstecken, es bringt ja doch nichts.

Aber weshalb erzählt Jesaja dieses Gleichnis? Die Auflösung kommt im nächsten Satz:

„Wer ist dieser Weinberg? Der Weinberg des Herrn Zebaot, das sind die Bewohner von Israel. Die Leute von Juda, sie sind sein Lieblingsgarten. Der Herr wartete auf Rechtsspruch, doch seht her, da war Rechtsbruch. Er wartete auf Gerechtigkeit, doch hört nur, wie der Rechtlose schreit.“ (Jes 5, 7)

Gott ist also der Winzer und das Volk sind die schlechten Reben. Gott hat sich so viel Mühe gegeben, so viel Liebe hineingesteckt, aber das Volk hat sich anders entschieden, schlug einen anderen Weg ein. Er wartete auf Gerechtigkeit, aber es kam das Unrecht. Das sind drastische Worte, doch Propheten müssen drastisch sein, sonst hört niemand hin. Jesaja kündigt eine Katastrophe für Stadt und Land an und das muss mit aufrüttelnden, dramatischen Worten geschehen. Alles andere wirkt nicht. In den folgenden Versen, die nicht mehr Teil unseres Abschnitts sind, wird er noch etwas konkreter, sagt deutlich was falsch läuft. Von Rechtsbeugung und Verleumdung wird da erzählt, von Ungerechtigkeit und mangelnder Rücksichtnahme. Die Reichen werden reicher und die Armen bleiben arm. Womöglich wird ihnen auch noch der letzte Besitz genommen. Und keiner ist da, der sie schützt, der ihnen hilft, denn die Richter sind korrupt.

Soweit diese Ankündigung der kommenden Katastrophe, verpackt in die Geschichte einer nicht erwiderten Liebe, von vergeblicher Mühe. Doch ist dies nur eine alte Geschichte, die wir uns mit dem zeitlichen Abstand von 2600 Jahren gemütlich anhören können? Ich denke nicht, denn die Anklagepunkte des Propheten sind aktuell wie eh und je. Das liegt vor allem daran, dass sich die wesentlichen Charakterzüge des Menschen in den letzten Jahrtausenden nicht geändert haben. Deshalb ist die Bibel immer noch ein aktuelles Buch, auch wenn Ackerbau, Verkehr und Kommunikation heute anders verlaufen, auch wenn zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse hinzukamen. Denn es geht in der Bibel um den Menschen und Gott und beides ist gleich geblieben.

Schauen wir uns also die Anklagepunkte des Propheten einmal kurz an: Verleumdungen – heute heißen sie oft fake news – kennen wir zur Genüge. Die nehmen in den letzten Jahren sogar zu und verbreiten sich rasend schnell. Gerüchte und Falschinformationen führen fast zum Bürgerkrieg, wie wir vor einigen Wochen erstaunt in den USA sehen konnten.

Das Recht wird gebeugt? Ein Blick nach Polen und Ungarn, nach Russland oder China genügt, um auch hier die Aktualität zu verdeutlichen.

Was ist mit der Ungerechtigkeit? Gerade in Coronazeiten gibt es viel, was einen da ins Grübeln bringt. Warum bekommt beispielsweise die Lufthansa mit 140.000 Mitarbeitern viel viel mehr staatliche Hilfe als die ganze Kulturbranche, in der etwa zehn Mal so viel Menschen arbeiten? Sind Stewardessen und Piloten denn so viel wichtiger für unser Land als Sänger, Schauspielerinnen, Kameraleute und Regisseurinnen? Ist es richtig, wenn die reichen Industrieländer sich etwa drei Viertel der Corona-Impfstoffe für die nächsten zwei Jahre gesichert haben und die armen Länder Afrikas und Asiens mit Glück irgendwann Anfang nächsten Jahres die ersten Einwohner impfen können? Ja, bei uns sind erst knapp 6 Prozent der Bevölkerung geimpft und bestenfalls sind es jede Woche anderthalb bis zwei Prozent mehr. Wir alle – außer ein paar Impfgegnern - hätten das gerne schneller. Doch wenn wir unseren Blick weiten sehen wir, dass es mehr als 100 Länder auf der Welt gibt, wo noch niemand geimpft ist. Denen gegenüber stehen wir ziemlich gut da. Oder findet es Wohlgefallen vor Gottes Augen, wenn einige Milliardäre im Coronajahr 2020 ihren Besitz deutlich vermehren konnten, während viele kleine Geschäftsleute um ihre Existenz bangen?

Der letzte Begriff ist die mangelnde Rücksichtnahme: Seit ein paar Tagen startet das Gerangel um den Impfstoff zwischen den Berufsgruppen. Die Pflegekräfte sollten zuerst kommen, dem stimmten alle zu. Aber wer kommt dann. Zuerst die Polizei oder doch lieber die Erzieherinnen und Lehrerinnen? Oder was ist mit den Busfahrern, mit den Menschen, die kranke oder behinderte Angehörige zu Hause betreuen, was ist mit denen, die bei Lidl, Netto, Aldi oder Rewe an der Kasse sitzen und inmitten der Kundschaft Regale einräumen? Wer ist wichtiger, wer soll zuerst geimpft werden? Und wie geht man mit denen um, die sich vordrängeln, weil dem Chef keiner sagen mag, dass er noch lange nicht an der Reihe ist und sich wie alle anderen hinten anstellen soll?

Manch schlechte Charaktereigenschaft zeigt sich vor allem in der Krise, das war nicht anders zu erwarten. Aber genauso auch die guten. Denn trotz aller Kranken und Gestorbenen, trotz der wirtschaftlichen Probleme und der psychischen Krisen ist die Katastrophe durch Corona eine, die wir begrenzen können. Das erfordert aber Geduld und den Willen, mitzumachen. Sehen wir doch einmal das Positive: Noch nie wurden beim erstmaligen Auftreten einer Krankheit so schnell Therapien und Medikamente entwickelt. Noch nie wurden funktionierende Impfstoffe in so kurzer Zeit in großen Mengen hergestellt. Nur selten gab es eine so große Welle der Solidarität. Und ich bin guter Hoffnung, dass sich unser Leben nach dem Ende der ganzen Beschränkungen in hoffentlich vier bis sechs Monaten sehr schnell wieder normalisieren wird. Manches haben wir sogar dazugelernt. Mehr auf die eigene Hygiene zu achten beispielsweise. Deshalb sind viele Krankheiten in diesem Coronajahr deutlich zurückgegangen, Masern genauso wie Grippe. Oder die Digitalisierung: Man muss nicht für eine kurze Besprechung von zwei Stunden Dauer einen halben Tag an- und abreisen. Das geht auch am Computer. Sogar Gottesdienste kann man auch übers Internet ansehen, selbst wenn da das gewohnte Gefühl der Gemeinschaft in der Gemeinde fehlt und auch das Schwätzchen danach. Auch der Drang nach immer exotischeren Urlaubszielen ist gebremst. Auf einmal entdecken viele, wie schön es doch kurz hinter dem eigenen Ort ist. Wie viele hier bei uns in Drabenderhöhe und Umgebung erfreut feststellen ist auch der Fluglärm deutlich weniger geworden. Und laut den Messstationen hat sich die Luftqualität gebessert, weil weniger Menschen mit Auto und Flugzeug unterwegs sind.

Das alles ist für die Ladenbesitzerin oder den Hotelier sicher nur ein schwacher Trost, das ist klar. Aber es ist eben nicht die ganz große Katastrophe, sollte uns aber Anlass sein, unseren Lebensstil in Teilen zu überdenken. Das betrifft auch die Punkte, die schon der Prophet Jesaja ansprach: Rechtsbeugung, Verleumdung, Ungerechtigkeit und mangelnde Rücksichtnahme. Auch unser sonstiges Leben können wir überdenken. Was ist denn mit den alten Nachbarn im Haus nebenan: Nehmen wir die wahr? Ist es richtig, wenn Pflegekräfte in Heimen und Krankenhäusern nur dürftig bezahlt werden? Müssen wir wirklich alles mitmachen, nur weil es gerade Mode ist? Können wir uns nicht auch an den kleinen Dingen freuen, zum Beispiel dem Lachen spielender Kinder, dem Schmetterling auf der Blüte oder dem netten Schwätzchen in der Warteschlange? Wir alle erleben momentan bestimmt nicht die beste Zeit unseres Lebens. Dazu ist zu vieles eingeschränkt, dazu ist die Sorge vor der Krankheit zu groß. Aber auch in diesen Zeiten gibt es kleine Hoffnungsschimmer.

Und was ist mit Jesaja und seiner Geschichte vom Weinberg: Der Geschichte einer enttäuschten Liebe, die in der Katastrophe endet? So weit ist es für uns – Gott sei Dank – nicht. Gottes Liebe zu uns bleibt bestehen, vielleicht auch weil wir uns doch immer wieder auf Gottes Wort besinnen. Es liegt auch an uns, wie es weitergeht. So wie bei Jesajas Erzählung, wo die Schuld für das schlimme Ende eindeutig bei den Menschen liegt.

Oft fragen wir bei schlimmen Ereignissen wie Gott das zulassen kann. Doch das ist in diesem Fall verkehrt. Die Menschen wollten einfach nicht auf Gottes Wort hören, verschmähten seine Liebe, interessierten sich mehr für Macht und Geld. Und das, wo sie öfters gewarnt wurden, dass sie auf dem falschen Weg sind. Auch da gibt es Ähnlichkeiten zu uns heute. Auch wir müssen manchmal drastisch gewarnt werden, wenn wir auf Kosten anderer und der nachfolgenden Generationen leben.Auch heute ist es wichtig, Rücksicht zu nehmen und auf die Schwachen zu achten. Doch es endet dank Gottes Liebe gut, da bin ich mir sicher. Vorausgesetzt wir nehmen uns die Warnungen zu Herzen. Das haben die Zuhörer des Propheten eben nicht getan und deshalb stand das Ende Jerusalems und des Königreichs vor der Tür. Hören und sehen wir also gut hin, damit wir reichlich Frucht tragen zur Freude Gottes!

Amen

Schlagworte: predigt

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  • Zuletzt geändert: 21.11.2022 15:24
  • von Manuel Krischer